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Bike-Typen-Test: Ist das All-Mountainbike das perfekte MTB?

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Artikel von Paul Nettersheim GmbH – We+Bike Magazin
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Testride: Das All-Mountainbike soll die moderne Form des Ur-MTBs sein. Wir haben das Konzept „All Mountain“ auf seine Qualitäten als zeitgemäßer Alleskönner geprüft.

Beim Federweg können zwei Zentimeter eine andere Welt bedeuteten. Zwischen schnellen Race-Fullys, dem hier getesteten All-Mountain-Bike und abfahrtsorientierten Enduro-Bikes liegen jeweils nur rund zwei Zentimeter Federweg, und doch haben all drei einen ganz unterschiedlichen Charakter.

Mit einem Race-Fully geht es zwar leichtfüßig bergauf, sobald es aber vom flowigen Trail in ruppigeres Gelände geht, fühlt man sich wie auf einem gefrorenen Acker und stolpert von Bremswelle zu Bremswelle. Andersherum verhält es sich mit dem Enduro-Bike: Hier kann es bergab gar nicht anspruchsvoll genug sein – in Steinfeldern, über Absätze und Wurzelbetten fühlt sich diese Gattung erst richtig wohl. Einmal unten angekommen, hat man es mit den über 15 Kilo schweren Bikes dagegen schwer. Nur unter großer Anstrengung, schiebend oder gar mit dem Lift arbeitet man sich langsam wieder aus der Talsohle nach oben.

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Einen vielversprechenden Kompromiss zu den mit 120 mm Federweg ausgerüsteten Race-Fullys und den 160 mm und mehr der Enduros scheint die Gattung der All-Mountain-Bikes zu bieten, die bei der Gabel und Hinterbau über 140 bis 150 mm Weg verfügen. Zwar entscheidet nicht allein der Federweg über den Einsatzzweck eines Mountainbikes, er kann jedoch eine gute Orientierung sein.

Ein solider Kletterer

Um das Konzept des All-Mountain-Bikes selbst zu erleben, haben wir uns ein Wild Ronin der ZEG-Hausmarke Bulls zusenden lassen. Mit im Paket war auch die passende Bekleidung von Apura, die das Erscheinungsbild eines modernen Mountainbikers betont.

Das All-Mountain-Bike wirbt für sich als auffahrtstaugliches Abahrtsbike, mit dem sich auch längere Touren unternehmen lassen. Die eigentliche Stärke zeigt sich schnell auf der fahrtechnisch anspruchsvolleren Hausrunde, gewürzt mit Abfahrten im Stile eines Bikeparks. Wer sich auf das All- Mountain-Bike setzt, wird erst einmal überrascht sein, denn die Sitzposition ist auffallend komfortabel und weniger sportlich wie auf einem Race-Fully. Der Eindruck, dass es nur gemütlich vorangeht, verschwindet allerdings beim ersten harten Antritt: Das nur rund 13 Kilo leichte Carbon-Bike macht schnell Meter nach vorne und oben. Die Schwalbe Nobby Nic sind bekannt für ihren guten Rollwiderstand und bestätigen dies auch auf schnellen Schotterpassagen.

Unsere Testfahrt beginnt im Hegau am westlichen Zipfel des Bodensees. Wir starten am Fuße des Schienerbergs und tasten uns langsam in Richtung Abfahrt vor. Die 1×12-Schaltung mit einer Übersetzung von 11-50 Zähnen hinten und einem 32 Ketteblatt vorne hat eine große Bandbreite, die sogar Kletterpassagen von 15% zulässt. Eine weitere Überraschung ist, dass das Vorderrad trotz der aufrechten Sitzposition dort bleibt, wo es hingehört, nämlich am Boden. Auf den Trails nach oben zeigt das Wild Ronin seine perfekte Geländegängigkeit, auf Schotterwegen fährt es sich aufgrund seines langen Radstandes angenehm ruhig. Gerade der Fahreindruck bergauf ist vielversprechend – alle gängigen Anstiegsarten lassen sich mit dem All-Mountain-Bike so fahren, wie man sich das von einem Mountainbike wünscht. Doch sollte auch erwähnt werden, dass ein All-Mountain-Bike eher zum gemütlichen Berg hochfahren verleitet als zum rasanten Klettern, was wohl auch an der aufrechten und komfortableren Sitzposition mit seinem breiten Lenker liegt. Damit kann das All-Mountain als solider Kletterer mit großem Spaßfaktor bezeichnet werden, vor allem, wenn es locker leicht an den schiebenden Enduro-Cracks vorbeifährt.

Rein in den Downhill und los geht der Spass!

Mit hohen Erwartungen geht es in den Downhill – und schon auf den ersten Metern spürt man, warum man zwei Zentimeter mehr Feder- weg und etwas Zusatzgewicht im Vergleich zum Race-Fully mitgeschleppt hat. Selbst wer sich nicht als reinrassiger Abfahrer bezeichnet, wird mit diesem Mountainbike seine Fahrfreude haben. Die Lenkung ist direkt, die Federung schluckt alles weg, was auf dem Trail herumliegt und der Geometrie-Mix aus einem kurzen Heck und langem Reach verführt zu einer spielerischen Fahrweise mit viel Sicherheitsreserven. Kleine Sprünge können einfach mitgenommen werden; das All-Mountain-Bike landet kontrolliert und verzeiht auch Fahrfehler hilfsbereit. Sehr großes Abfahrtskönnen braucht es erst einmal nicht, um vollen Fahrspaß zu haben, wie es scheint.

140 mm Federweg Mit einem Federweg von 140 mm an Front und Heck bietet das All-Mountain-Bike genug Komfort für ruppige Bergab-Passagen, ohne dass die Kletterqualitäten leiden. Zudem bleibt genug Platz für eine Trinkflasche.

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Ein Kompromiss der keiner zu sein scheint

Fazit: Das ausgewogene Konzept des All-Mountain-Bikes ist kein neues Bike-Konzept, es ist vielmehr die konsequente Weiterentwicklung des modernen Mountainbikings, welches sich an eine neue Umwelt mit Bikeparks und MTB-Trails angepasst hat. Es kann mit viel Spaß in jedem Gelände gefahren werden und wird damit dem Begriff „All-Mountain“ wirklich gerecht. Wer sich großen Trail-Spaß gönnen möchte und es auf längeren Touren nicht eilig hat, dem sei die Gattung wärmstens empfohlen, verkörpert dieses Mountainbike doch die moderne Fahrweise auf sehr angenehme und konsequente Art.